Augen

Hat Selbstkritik eine Auswirkung auf deine Sehschärfe?

Pünktlich zu meinem 40. Geburtstag, fingen die Buchstaben beim Lesen an zu tanzen. Sie wurden kleiner, dünner, verflixter und verschwommener. Einige Zeit lang kniff ich die Augen zusammen, bis mich mein Mann mit einem amüsiertem Blick, über die Zeitung gebeugt fragte, ob ich es nicht doch einmal mit einer Brille versuchen möchte…
Seitdem zierten so einige Brillen meine Nase: Fern- und Nahbrillen und auch eine Gleitsichtbrille, und verrate es niemandem, sogar eine Leselupe für Beipackzettel machten mir das Leben leichter. Auch einige Versuche, mittels diverser Augentrainings, ohne Brillen auszukommen liegen hinter mir.

Seitdem ich begann, mich intensiv, erst mit meinen Füßen und dann mit immer mehr Teilen meines Körpers zu beschäftigen und ganzheitlich zu forschen, habe ich mir eine andere Sichtweise angeeignet. Schon längst wollte ich auch über Augen schreiben. Jetzt ist die Zeit reif für einen frischen Blick auf ein weiteres unbewusstes und doch allgegenwärtiges Tabuthema. Wir wenden uns in diesem Artikel einem Sehfehler zu. Sei gespannt.

Als ich vor gut 10 Jahren begann, über Füße zu recherchieren, war ich erstaunt bist entsetzt, mit wieviel Selbsthass manche Menschen Teilen ihres Körpers begegnen. In der Folge wurde ich immer empfindlicher, wenn ich las, dass Frauen sich morgens im Bad „fertig“ machen und realisierte, dass genau das auch passiert: sie machen sich fertig, statt schön. Mein Augenmerk galt für einige Jahre dennoch dem Körperlichen. Mich interessierte, woher Selbstablehnung kommt. Ich forschte über Tabuthemen, über Trauma, mir wurde deutlich vor Augen geführt, wie sehr sich all das Leid unserer Ahninnen bis heute körperlich und seelisch auswirkt. Wie unsere Faszien verfilzen und unser Nervensystem verrückt spielt…

Schönheit liegt im Auge des Betrachters.

Goethe

Selbstkritik – ein Sehfehler

Wann haben wir verlernt, uns unserem wundervollen Körper unvoreingenommen und liebevoll zuzuwenden? Wann haben wir begonnen, uns zu verurteilen und uns ein falschen Bild einzuprägen?
Im Studium war ich fasziniert von den Forschungen zu „objektivem Sehen“. Das gibt es nämlich nicht. Denn bereits der Vorgang des Beobachtens wirkt sich auf das beobachtete Objekt aus. Nicht anders ist es mit unserer Nase, unseren Füßen, Genitalien, Oberschenkeln… setze ein, was dir nicht „gefällt“ an dir.

Unvoreingenommenes Sehen gibt es also nicht. Stattdessen „sehen“ wir nur das Bild, das wir uns gemacht haben: Ein Schnappschuss in einem Moment des Leidens. Festgehalten wie auf einem Dia. Statt wahrzunehmen, was ist, ziehen wir diesen Schnappschuss, dieses Dia wie eine Schablone vor uns selbst, wenn wir uns im Spiegel betrachten. Oh ja, das gilt auch für unseren Blick auf die Menschen in unserem Umfeld, aber fangen wir doch einfach mal bei uns selbst an.

Was passiert, wenn wir uns selbst betrachten?

Ein innerer Konflikt entsteht zwischen dem, was uns unser Auge mitteilt und dem, was unser Gehirn an gespeicherten Informationen über das, was wir sehen aus der Schublade holt. Ein Gefühl kommt hoch. Und wir sind sehr geübt darin, auszublenden, wegzuschauen, nicht zu fühlen, wegzudrücken.
Und das ist gut so. Denn unser äußerst schlaues System schützt uns davor, von diesem Gefühl überwältigt zu werden. Du hast dich nicht verlesen. Du machst das richtig. Zumindest aus der Sicht deines früheren Ichs, das damals nicht in der Lage war, mit diesem Gefühl klar zu kommen.

Aus heutiger Sicht kommt dir das im besten Falle albern vor, oft versetzt es uns jedoch in Angst. Jetzt wird es ganz blöd: Denn dafür, dass wir so reagieren, verurteilen wir uns – und unterdrücken das Gefühl so schnell, dass wir oft gar keine Zeit haben, es wahrzunehmen.

Was dieses Gefühl jedoch sucht, ist gehalten, gesehen und geliebt zu werden, statt einmal wieder in den Keller verdammt zu werden.

Kleine Randbemerkung: Falls du hier etwas liest, was deine Komfortzone dehnt, dann sei schlau und nutze das unscheinbare Wörtchen „noch“, das du keck in „Das kann ich noch nicht“ einfügst. Spüre den Unterschied.

Bonding – Liebevolles Sehen

Bonding: Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet „Verbindung“. Er beschreibt die prägende Phase der beginnenden emotionalen Beziehung zwischen einem Säugling und seinen Eltern. „Schutz, Wärme, Liebe und Zuwendung ist das, was jedes Baby nach der Geburt braucht.

Von unzähligen Gesprächen mit Frauen weiß ich, dass sie ihren Busen, ihre Zehen und ganz häufig ihre Vulva mit, sagen wir mal ungnädigem, abschätzendem oder schlimmer noch: keines Blickes „würdigen“.

Was es stattdessen braucht, ist den Blick einer liebenden Mutter, das ihr Neugeborenes voller Liebe in die Augen schaut. Nur, dass das Neugeborene ein aus dem Keller geholtes Gefühl ist, dem wir in die Augen schauen, es halten, wiegen und besänftigen. Ja, zärtlich zu sein für die eigenen Gefühle kostet Mut, aber dies lohnt sich, denn so heilen wir Trauma. Gefühle und damit uns selbst zu unterdrücken, macht uns taub und empfindungslos.
Gefühle zu fühlen und mit Augen voller Liebe zu betrachten, bedeutet mehr Selbstliebe zu kultivieren, wenn ich mir erlaube, ohne Schablonen auf das zu blicken, was ist: das Wunderwerk unseres Körpers.

So viel Wut und Traurigkeit ist in unseren Augen gespeichert.

Augen als Spiegel der Seele

Jeder abschätzige Blick wird in unseren Augen gespeichert. Unsere Augen sind angespannt, nicht vom Sehen an sich, sondern von unseren kritischen Blicken. Davon, dass wir im Außen abscannen, ob wir sicher sind. Unser Blick wird hart, so wie wie wir hart sind gegen uns selbst. Unser Blick wird dumpf und wir ertappen uns, vor uns ins Leere zu stieren, so wie wir Gefühl:los gegenüber uns selbst sind. Und dies ist der eigentliche Seh-Fehler: unfreundliches Schauen auf die Welt und uns selbst.

Gute Nachricht: Du kannst dies jederzeit ändern. Durch Bewusstheit darüber, was ist, was du fühlst und was du siehst. Und du kannst dies begleiten durch ein Lächeln. In meinen Büchern findest du dazu wunder:volle Anregungen.

Erhobene Augenbrauen, ein verkniffener Mund, Sorgenfalten… All das kannst du weglächeln. Ja, anfangs wird dir das ungewohnt vorkommen und vielleicht auch falsch. Wenn du aber erst einmal in dieses Lächeln hineingleitest, wirst du anders denken, anders fühlen und anders sehen.



Buddha-Lächeln

Reibe deine Hände. Wenn du magst, kannst du deine Finger küssen. Lege sie auf deinen Brustraum. Und lächle. Lächle in dich hinein. Lächle darüber, dass du gerade deine Hände geküsst hast. Darüber, dass du lächelst. Vielleicht auch darüber, dass du jetzt, wenn du dies tust, nicht allein bist, denn sehr, sehr viele Frauen werden mit dir lächeln. Einfach so. So einfach.

Auch wenn dir das albern vorkommt, frage dich, ob nicht ein Lächeln hilfreicher ist, als die Stirn in Sorgenfalten zu legen. Lächeln ist Übungssache und trainiert dein Nervensystem, sich zu entspannen und Stress loszulassen.

Augenweide

Unsere Augen sind mit unsrem Herzen, unserem Darmgehirn und unseren Genitalien verbunden. Oh ja. Die Werbung schlachtet das zu ihren Zwecken aus. Wie wäre es, wenn du dir erlaubst, darauf zu achten, was dich antörnt?
Stell dich vor deinen Kleiderschrank. Schließe für einen Moment die Augen. Verbinde dich mit deinem Atem, spüre deine Füße auf dem Boden. Dann öffne den Kleiderschrank, öffne deine Augen langsam. Nun wandere mit deinen Blicken und spüre in dich hinein. Wann sind deine Augen „nur“ mit deinem Kopf verbunden – und du hörst Stimmen, die dir sagen: „Das tut’s doch noch. Das war teuer…?“
Wann bist du mit deinem Schoß verbunden – und du spürst deutlich, dass dieses Teil in den Müll gehört? Wohingegen das, ganz hinten in der Ecke, ausgeführt werden will – und zwar jetzt.

Füße & Augen

Wie wunder:bar unser Körper organisiert und vernetzt ist, können wir nutzen: Wenn unsere Fußsohlen verspannt sind – und das sind sie bei Schuhträgerinnen in der Regel… -, ist es auch unsere Kopfhaut. Logisch, denn über die rückwärtige Faszienkette, entlang Waden, Po, Rücken, zieht sie sich über unseren Nacken bis hoch zur Kopfhaut. Wenn du deine Fußsohlen durch barfuß gehen oder mittels eines Igelballs energetisierst, kommt das deinen Augen zugute. Dass verspannte Augen auch mit angespanntem Nacken oder Anus oder Kiefer zusammen hängen, will ich nur am Rande erwähnen.


Stress loswerden

Traumatische Erfahrungen – auch kollektiver Art – können wir durch Bewegung, vor allem Tanz und Schütteln lösen. Auch unsere Augen sind angespannt und „geladen“. Augenbewegungen werden mittels EMDR bewusst genutzt, um Leidensdruck zu mindern. Francine Shapiro er:fand die Methode, als sie im Park spazieren ging und ihre Augen hin und her bewegte. Ich empfehle dir, öfter eine kleine Auszeit im Wald. Lass deine Augen mit schwingenden Bewegungen über das üppige Grün tanzen.
Einen Frischekick für deine Augen bekommst du mittels dieser feinen Übung:

Reibe deine Handflächen, bis sie energetisch aufgeladen sind. Küsse deine Handflächen – warum nicht? Lege sie auf deine geschlossenen Augen. Genieße. Lächle. Freude dich. Und dann fange an, einen genüsslichen „Hmmmm-Laut“ zu erzeugen. Versuche, das Hmmm durch deine geschlossenen Augen tönen zu lassen.
Wenn du lachen, seufzen oder gähnen musst, dann fasse dies als Kompliment auf. Du machst deine Sache gut. Vielleicht spürst du auch, dass deine Augen befeuchtet werden. Tränenflüssigkeit bildet sich. Was für eine Wohltat.

Weinen?

Weinen? Ja, genau. Nimm dir Zeit für Bonding (s.o.). Schau dich im Spiegel an. Liebevoll. Lange. Zärtlich. Wenn Gefühle hochkommen, halte sie, umarme sie, lass sie zu. Seufze. Vielleicht magst du auch zu sanfter Musik tanzen und dich langsam bewegen. Dich weiterhin anschauen. Versuche dem Impuls zu widerstehen, deine Augen vor dir zu verschließen. Schau dich an. Liebevoll. Lächelnd. Staunend. Er:innere dich. Dein Blick weich, entspannt, freundlich, zugewandt gütig.
Ganz und gar.

Ich begleite Frauen in meinen Coachings online oder persönlich in einer inspirierenden Umgebung. „Ich habe mich irgendwie aus den Augen verloren“, höre ich sie häufig sagen. Umso mehr fühle mich beschenkt, wenn ich Zeugin sein darf, wenn sich ihr Blick verändert. Ihr Blick auf die Welt, auf ihre Beziehungen und auf sich selbst. Wie ihre Augen an Sanftheit gewinnen. Während WeakEnds habe ich begonnen, Fotos zu machen und wenn die Frauen sich dann so sehen, kommen Tränen. Danke.

Alles Liebe

Birgit

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2 Kommentare
  1. Johanna sagte:

    So eine schöne Inspiration, die nicht oft genug kommen kann, die nicht oft genug in ein Lächeln werden kann. Vielen Dank liebe Birgit

    Antworten

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