Schwäche zeigen kann uns in unsere Kraft bringen

Was es dir bringt, dir Schwäche zu zeigen

„Glauben heißt nicht wissen!“, bellte mir die Frauenärztin entgegen. Ich war gerade mal 16 und war wegen starker Unterleibskrämpfe in ihrer Sprechstunde. Tags drauf war ich gerüstet, habe die Zähne zusammengebissen, als ich in den OP-Saal geschoben wurde. Ins Krankenhaus bin ich mit der U-Bahn gefahren. Ich war ja schon groß. So selbständig, dass meine Eltern beschlossen, von zu Hause auszuziehen. Ja, du liest richtig. Tagsüber waren sie da, physisch, nachts war ich allein in der Wohnung unter dem Dach im Hotel meiner Eltern…

Im Umgang mit Schmerzen – egal ob körperlich oder seelisch – gab es für mich nur Kämpfen. Denn wehleidig zu sein, war keine Option.

Keine Schwäche zu erlauben ist anstrengend

Um mich herum waren alle Menschen stark. Die Frauenärztin. Meine Eltern. Die Lehrerinnen und Lehrer. Ein paar Mitschülerinnen waren schwach. Sie wurden gehänselt, so wurde Mobbing früher bezeichnet. Ich war stark. Habe über ihr Leid hinweggesehen. Habe auch keine Fragen gestellt. Nichts in Frage gestellt. Wäre zu anstrengend gewesen und zu gefährlich… Für Schwäche hatte ich nichts übrig.

Meine Eltern fuhren allein in Urlaub. Immer öfter. Und ich führte nach der Schule das Hotel. Keine Frage. Ich war stark. Machte Kampfsport. Erst Judo, später Karate. Ich nahm es auch mit einem Nachtportier auf, der betrunken zur Arbeit kam. Seine Anzüglichkeiten ließ ich mir nicht gefallen. Ich habe ihn an die frische Luft gesetzt und eine Nachtschicht eingelegt, bis meine Eltern am nächsten Morgen kamen und ich noch duschen konnte, bevor ich in die Schule fuhr. Da war ich 19.

Verletzlichkeit nicht zuzulassen isoliert

Ich studierte Soziologie – auch weil mein Vater etwas dagegen hatte. Das Studium finanzierte ich mit Orientalischem Tanz – weil ich nicht von meiner Mutter abhängig sein wolle. Schon bald war ich eine gefragte Bauchtänzerin. Ich unterrichtete und trat auf und verdiente ziemlich gut. Vor allem aber beobachtete ich mit Soziologinnenblick, wie viele Zuschauerinnen im Beisein ihrer Männer auf unverkrampfte Erotik und ästhetisch-sinnliche Darbietung reagierten. Wenige kamen nach einer Show auf mich zu. Sie waren begeistert und gratulierten mir oder fragten nach einer Möglichkeit, Unterricht zu nehmen oder mich für einen Auftritt zu buchen. Die meisten anderen jedoch waren still, in sich gekehrt, fühlten sich bedroht und ihre Ablehnung war in ihren Augen zu lesen.

Stark sein als Erfolgsmodell?

Die nächste Station meines Lebens war männlich. Ich war stark genug, um sofort eine attraktive Anstellung bei einem der angesagtesten Immobilienmakler zu bekommen. Dort sollte ich noch stärker werden. Fuhr in die Schweiz, um von den Großen der Branche in Hard Selling eingeweiht zu werden. Verkaufen auf die harte Art. Das war faszinierend. Manipulation vom Feinsten. Als ich zurück fuhr, wusste ich, wie ich es nicht machen wollte. Etwas in mir fing an zu bröckeln. Ich kündigte ein paar Wochen nachdem mich mein Chef beiseite genommen und mich gefragt hat: „Sind Sie nicht belastbar? Sie müssen sich entscheiden, was Sie sein wollen – Hammer oder Amboss!“

Keine Schwäche zeigen, um zu überstehen?

Nachdem ich das „Haifischbecken“ verlassen hatte, landete ich in der Versicherungsbranche. Dort ging es verhältnismäßig zivil zu. Ich war nahkampferprobt und „spielte mich“. Ich atmete auf, es ging alles leicht. Ich musste nicht kämpfen, denn ich stand hinter den hervorragenden Produkten aber das war langweilig. Also wurde ich besser als die Männer. Besser als die „Alten Hasen“. Ich wurde zum Rennpferd. Was ich nicht beachtet hatte: Ein Rennpferd kann sich verausgaben. Nicht nur jedes Jahr, sondern jedes Monat erneut Vorgaben nicht nur zu erfüllen, sondern deutlich zu toppen, laugt aus.

Was braucht es, um Schwäche zu zeigen?

Ich begann mit meinem Mann Tango zu tanzen. Ein willkommener Ausgleich zur männlich geprägten Versicherungsbranche, vor allem in der betrieblichen Altersversorgung. Nur: als es gerade richtig zu laufen begann, bekam ich Fußschmerzen.

Mit den Fußschmerzen, die immer schlimmer wurden, ging ich um, wie ich es gelernt hatte: Ich ignorierte sie. Sie wurden lauter. Ich bekämpfte sie: Ärzte empfohlen mir Schmerzmittel, die jedoch kaum wirkten. Ich begann mich um sie zu kümmern, indem ich sie anfangs lieblos mit Übungen malträtierte. Später fing ich an, sie zu achten und liebevoll zu pflegen. Wie es weiter ging, liest du in den zahlreichen Blogartikeln und meinen Büchern.
Es dauerte noch lange, bis ich erkannte:

Schwäche zu zeigen kostet deutlich mehr Mut, als stark zu sein.

Mich verletzlich zu zeigen, das wäre mir nie in den Sinn gekommen. Jetzt, weiß ich, dass gerade der Mut, sich verletzlich zu zeigen uns sinnlich macht. Nahbar. Dass dies nichts mit Wehleidigkeit zu tun hat, sondern mit Hingabe. Statt Opfer zu sein, fangen wir an zu leben.

Ich habe erkannt, statt wahre Stärke zu zeigen, habe ich dicht gemacht und nichts und fast niemanden an mich rangelassen…
Meine Fußprobleme haben mich reichlich beschenkt. Und Schmerzen haben mir geholfen, mich zu öffnen.

Dieser Prozess hat Jahre gedauert. Aber es gibt Abkürzungen. Einer davon ist ein kraftvolles Hypnosecoaching.

Auf den Punkt gebracht:

Hinter jedem Problem wartet ein Geschenk. Dies verrät bereits die Vorsilbe „pro“ – also für dich. Sonst hieße es ja Contrablem. Tut es aber nicht. Wie es sich zu meiner Verblüffung herausgestellt hat, DIENTE genau dieses Problem meinem Wachstum. Elegant ist das nicht aber es trug dazu bei, mich mit Lust all diesen Themen zu widmen und meine Berufung zu finden. Wie ist das bei dir? Welches unvermutete Geschenk hast du hinter deinen Schmerzen ent:deckt? Ich unterstütze dich von Herzen gerne dabei.

Alles Liebe

Birgit

2 Kommentare
  1. Claudia Siegele sagte:

    Liebe Birgit,
    dieser Artikel von Dir hat mich sehr berührt, weil mich das Thema Schwäche, vor allem aber das Thema Angst, fast mein ganzes Leben lang begleitet hat. Bis ich kurz vor dem 50. Lebensjahr stand und ich entschied, mein Leben zu ändern und das anzugehen, was mich mein Leben lang in mir selbst eingesperrt hat: Mein mir angeborenes Geschlecht an das seit meiner Kindheit gefühlte Geschlecht anzupassen. Ich bin heute eine sehr glückliche Frau, stehe als Journalistin voll und mitten im Leben und kenne wie Du die beiden Antipoden Unglück und Glück sehr genau. Ich habe in beiden bis zum Hals gebadet, im Glück bade ich mich heute immer noch, genussvoll und jeden Tag aufs Neue. Ich musste viele Verluste dafür in Kauf nehmen, mich immer wieder überwinden, etwas zu tun, wovor ich unvorstellbare Angst hatte. Ich vergleiche diesen Weg immer mit dem Besteigen eines hohen und gefährlichen Berges oder eines ganzen Gebirges. Ich ging durch die Hölle, glaubte mehr als einmal abzustürzen und seelisch zu erfrieren. Suizid hieß zeitweise mein ständiger Begleiter – aber ich habe mich wie Du durchgebissen und stehe heute auf einem Gipfel, der mich auf mein Leben herabschauen lässt, auf die Stereotypen der beiden Geschlechter. Ich bin wie Du heute dankbar, dass ich diesen Kampf mit mir selbst und der mich umgebenden Gesellschaft, Freunde, Familie, auszufechten hatte, denn er hat mich sehr stark gemacht. Das spiegelt mir auch dieser Artikel von Dir wider. Danke dafür. 😉 Claudia

    Antworten
    • Birgit Faschinger-Reitsam sagte:

      Liebe Claudia,
      danke, dass du das mit uns teilst. Ich habe großen Respekt vor deinem Weg.
      Wie interessant deine Wortwahl: Du sprichst auch von „Verlust in Kauf nehmen, überwinden, durchbeißen, kämpfen…“. Mir hat es sehr geholfen, nicht nur über den Körper, sondern auch über bewusste Sprache zu mehr Bewusstsein und in meine Kraft zu kommen. Mittlerweile freue ich mich, über Themen wie Zärtlichkeit schreiben zu können und tausche Durchsetzungsvermögen gegen SanftMut.
      Alles Liebe – Birgit

      Antworten

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