Nebel im Kopf

Was wir (noch) nicht sehen

Manchmal, wenn wir innehalten und müßigen Gedanken nachgehen – ob, wie oder was wir vielleicht anders machen könnten – geschieht etwas Merkwürdiges: Plötzlich ist da dieser Nebel im Kopf. Und die Gedanken – verschwunden.

Neben Hitzewallungen und Einschlafstörungen bringen die Wechseljahre noch ganz andere Herausforderungen mit sich – solche, mit denen wir nicht gerechnet haben.

Ich meine nicht Fußprobleme, oder dass unser Körper nicht mehr einfach „mitmacht“ wie früher. Und als wäre das nicht schon genug, noch familiäre Spannungen hinzukommen oder Stress am Arbeitsplatz.

Ich spreche davon, dass die Wechseljahre eine Wende darstellen. Eine Schwelle, an der vieles auf den Prüfstand kommt – unser Leben, unser Denken, unser Platz in der Welt und nicht selten auch langjährige Beziehungen.

Bevor diese Wendejahre an die Tür klopften, war Selbstfürsorge etwas für später. Und Multitasking war die heimliche Königsdisziplin. Viele von uns funktionierten gut, taten, was man eben so tat – weil es richtig schien, weil es Erfolg versprach oder einfach gut aussah.
„Dafür habe ich jetzt keine Zeit“, hörten wir uns sagen, wenn es darum ging, nachzuspüren, ob es sich für uns richtig anfühlte. Im fraglos Runterschlucken waren wir gut – schließlich mussten wir uns ja kümmern. Um alles und alle. Nur nicht um uns selbst.

Doch jetzt? Stellen wir Fragen.

Es war ein Experiment

Ich schreibe gerade an einem Roman – und in meinem Fußletter hatte ich meine Leserinnen gefragt:
Welche Themen sollte eine Frau durchleben, die kurz vor ihrem 50. Geburtstag steht?

Die Antworten ließen nicht lange auf sich warten. Vielen Dank dafür.

Von „Gefühl, nicht gut genug zu sein“ war die Rede oder von „Frauen, die alles gegeben haben…“, und von „Lebensplänen, die durchkreuzt werden“. „Abgrenzung ohne schlechtes Gewissen“ wurde mehrfach genannt, genauso wie „Verantwortung für sich selbst übernehmen“ oder „Verbundenheit erleben, ohne die eigenen Wünsche aus den Augen zu verlieren“.
Spannend fand ich auch die Fragen: „Möchte ich mit diesem Menschen alt werden?“ – oder auch: „Wie kann ich endlich Frieden mit meiner Mutter finden?“ Körperliche Themen wurden nicht genannt, außer „Nachlassen der Sehkraft.“

Doch dann trudelte noch eine Mail ein, und darin die Frage:
„Warum verschwinden Gedanken wie durch eine Art Gehirnnebel?“

Brain fog – Gehirnnebel

Diese Frage ließ mich nicht mehr los. Sie hat mich schließlich dazu bewogen, diesem Phänomen einen eigenen Blogartikel zu widmen. Warum? Weil ich selbst auch betroffen war: Eine Zeit lang dachte ich, ich sei allein damit – mit diesem merkwürdigen Gefühl, dass Gedanken plötzlich verschwinden, und sich Ideen, die eben noch greifbar waren, plötzlich von Watte verschluckt werden.
Ich nannte es für mich einfach „Nebel im Kopf“.
Erst später erfuhr ich, dass brain fog oder Gehirnnebel ein offizieller Begriff ist– und dass ich bei Weitem nicht die Einzige bin.
Umso wichtiger scheint es mir, diesen Nebel gemeinsam ein Stück weit zu lichten.

Gehirnnebel ist kein bewusstes Entspannen, kein erholsames Nichtstun. Und auch kein inneres Wegdriften, wie beim Tagträumen.

Eines gleich vorweg: Frauen sind oft schnell dabei, sich einzureden, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Und ja – Nebel im Kopf fühlt sich irritierend, fremd und schlichtweg falsch an.
Aber: Dieses Phänomen ist eine ganz normale Begleiterscheinung der Wechseljahre. Es kann bereits in der Perimenopause auftreten – also in der Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren vor der letzten Periode.

Der Auslöser? Der sinkende Östrogenspiegel.
Ein Hormon, das nicht nur unsere Fruchtbarkeit beeinflusst, sondern auch maßgeblich daran beteiligt ist, wie klar, konzentriert und geistig wach wir uns fühlen.
Mangel an Wasser, Mikronährstoffen, Schlaf und Bewegung tun ihr Übriges…

Nebel im Kopf – Ein Zustand zwischen Abschied und Aufbruch

Müssen wir uns also damit abfinden?
So wie mit den Hitzewallungen?
Nicht unbedingt.
Dass wir nicht zwangsläufig darunter leiden müssen, wenn unsere Hormone Achterbahn mit uns fahren, kannst du hier nachlesen: Die Welt der Drüsen – Hormonell beglückt in den Wechseljahren

Wir könnten unsere Gynäkologin beim nächsten Routinebesuch darauf ansprechen.
Doch über Gehirnnebel spricht frau nicht.
Vielleicht, weil es uns peinlich ist, uns einzugestehen, unproduktiv zu sein.
Vielleicht auch, weil wir es vergessen – sobald sich der Nebel lichtet.
Oder weil wir innerlich längst gelernt haben, es nicht so wichtig zu nehmen.
Weil wir uns selbst oft nicht so wichtig nehmen.

Und darin liegt die wahre Tragik.

Denn das, was hormonell in uns passiert – der sinkende Östrogenspiegel, das neue Ungleichgewicht – ist nur ein Teil der Wahrheit.
Der andere Teil ist: Wir dürfen diese Zeit als Einladung verstehen, um wacher zu werden. Für das, was uns wirklich wichtig ist.

Vielleicht kennst du das?
Wenn wir jedoch ausgetretene Pfade verlassen und abwegige Gedanken denken, dann ruft das unseren inneren Kritiker aufs Spielfeld. Um uns zur „Vernunft“ zu bringen, greift unser Unbewusstes in die Trickkiste: Angst, hie und da eine kleine Krankheit und wenn alles nichts hilft, kommt die Nebelbombe.

Nebel im Kopf: Wacher werden für das, was uns wirklich wichtig ist

Und wenn der Nebel lästig wird?


Wenn wir uns wie gelähmt fühlen? Wie in einer unproduktiven, diffusen Gedankenschleife gefangen?
Wie kommen wir wieder raus?

Dann hilft es, von unten anzufangen.
Wie unten – so oben: Was unseren Füßen guttut – Erdung, Berührung, Bewegung, Bewusstsein – wirkt auch auf unseren Geist.

Wieder ins Fühlen zu kommen. Barfuß gehen. Raus in die Natur: All das bringt uns zurück in den Moment. Zurück zu uns. Und schenkt uns Klarheit.

Auf meinem Blog findest du viele Anregungen dazu, dich und deinen Körper nicht zu übergehen.

Wie unter Hypnose – Gefangen in der Alltagstrance

Nachdem mich die Mail aufgerüttelt hatte, begann ich, mich umzuhören.
„Das kenne ich“, bekam ich von fast jeder Frau zur Antwort.
Es war die Rede von Wolken, Watte, Nebel im Kopf – jede beschrieb es ein wenig anders, doch alle meinten dasselbe.

Also fragte ich weiter. Ich wollte es genauer wissen.

Wann genau entstehen diese Gedanken?
Die Antwort: Meist in ruhigen, routinemäßigen Momenten. Beim Bügeln. Beim Gießen der Pflanzen. Beim Blick aus dem Fenster.

Was das für Gedanken sind?
Auch wenn die Gedanken nicht klar sind, erinnern sich viele an die Qualität: Oft überraschend, tief. Ungewöhnlich. „Beyond“, wie eine Frau sagte. Nicht alltäglich. Nicht oberflächlich. Wichtig.

Welche Gefühle bleiben zurück?
Enttäuschung. Verwirrung. Wut. Traurigkeit.

Einige Frauen versuchten, gegen das Vergessen anzukämpfen – ein Wort, ein Bild festzuhalten, und sich wie an einem roten Faden daran entlangzuhangeln.
Meist vergeblich.

Andere wählten den Weg des Vertrauens:
Wenn es wirklich wichtig sei, sagten sie sich, würde es wiederkommen.

Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, erinnert mich Gehirnnebel an das, was ich während meiner Hypnoseausbildung gelernt habe:
In der Hypnose geht es eigentlich nicht darum, jemanden in Trance zu versetzten, sondern im Gegenteil, die Person aus der Alltagstrance herauszuholen.

Was meine Romanfigur fühlt – und viele von uns kennen


Dieses „Was passiert da eigentlich – und warum?“ ließ mich nicht los.
Es war mir wichtig genug, dass ich genau diesen Moment auch meine Protagonistin in meinem Buch erleben lassen wollte.
Denn was sie da spürt – diese Mischung aus Klarheit und Nebel, Bedeutung und Leere – kennen viele von uns nur zu gut.

Wenn du magst: Hier ein kleiner Einblick in die Szene:

Renate band sich ihre Schürze um, nahm ein Brotmesser aus der Schublade und begann das Weißbrot, von dem gestern auf der Feier kaum gegessen wurde, in dünne Scheiben zu schneiden. Über Nacht war das Baguette leicht angetrocknet. Sie mochte diese einfachen Tätigkeiten in der Küche. Vor allem war sie immer wieder fasziniert von den ungeahnt vielfältigen Sinneseindrücken – vorausgesetzt, sie hatte das richtige Werkzeug. Das Knacken beim Anritzen einer frischen Paprika etwa, wenn die pralle Haut aufplatzt. Und wenn sich das Fruchtfleisch öffnet, der Saft herausspritzt…
Doch jetzt schnitt sie altes Brot. Sog seinen Geruch in sich auf, spürte die Widerspenstigkeit der Kruste und lauschte dem ganz eigenen Geräusch, das der Sägeschliff des Messers in ihrer Hand dem Brot entlockte.

Aber es war nicht nur das innere Erleben, das Renate an diesen einfachen Tätigkeiten schätze. Diese einfachen, routinierten Handgriffe ließen Gedanken auftauchen – kühne Gedanken. Nur: Oft waren sie kaum zu greifen – so plötzlich, wie sie auftauchten, entglitten sie ihr wieder. Ein wenig, wie morgens, nach dem Aufwachen, wenn die Bilder eines Traums gerade noch deutlich vor ihr waren und in der nächsten Sekunde vergessen. Manchmal kam es ihr fast so vor, als ob irgendetwas sie auf perfide Weise auf Spur halten wollte und immer dann, wenn sie den festgefahrenen Weg verlassen wollte, eine Art Nebelbombe zündete. Nicht nur, dass sie dann den Weg, den sie gerade einschlagen wollte, nicht mehr sah – vielmehr verschwanden auch ihre abwegigen Gedanken im Nebel.
Hm,… Brain Fog – War das nicht auch ein Punkt in der Auflistung der Symptome, die sie ihrer Schwester geschickt hatte? Perimenopause, oder wie das hieß. Womöglich ging es nicht nur ihr so.

„Was machst du da?“
Renate fuhr zusammen. Sie war so versunken, dass sie nicht bemerkt hatte, dass Antonia neben ihr stand.
„Warum wirfst du das nicht einfach weg?“…

Was ich für mich mitnehme:

Der Nebel im Kopf ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Hinweis.
Darauf, dass etwas in uns im Umbruch ist.
Dass unser Körper, unser Denken, unser Leben neue Wege sucht.

Auch wenn wir die Gedanken noch nicht greifen können:
Vielleicht ist er ein gutes Zeichen.
Ein Zeichen dafür, dass etwas auf uns wartet.

Und jetzt du.
Kennst du diesen Nebel im Kopf auch?
Gab es Gedanken, die kamen – und wieder verschwanden, bevor du sie greifen konntest?
Wie gehst du damit um?
Und: was nimmst du mit aus diesem Artikel?

Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen in den Kommentaren teilst.
Denn: Wenn wir offen darüber sprechen, lichten wir gemeinsam ein Stück dieses Nebels.

Alles Liebe


Birgit

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